1995 Künstlerische Gestaltung ZHAW

In den Jahren 1927/28 von den Architekten Rittmeyer & Furrer erbaut, war der monumentale Rundbau Firmensitz der Gebr. Volkart AG bis 1995. Anschliessend wurde das Gebäude durch die Architekten Weber und Hofer umgebaut und mit einem Annexbau erweitert. Seither ist es ein Teil des Campus der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) dem Dept. W, School of Management and Law).

Die künstlerische Gestaltung reflektiert die Wirtschaftsgeschichte dieses ehemaligen Weltkonzerns, welche im Handel mit Rohstoffen, insbesondere Baumwolle, Kakao und Kaffee führend war.

 


Die 1995 realisierte künstlerische Gestaltung besteht aus drei Komponenten:

 «Indischer Ozean»  64 im ganzen Campus verstreute Fotoradierungen greifen Themen der weltweiten Tätigkeit des damaligen Handelshauses auf. Es sind bearbeitete Fotografien aus dem Fundus der Fa. Volkart, Szenen aus 150 Jahren «geschäftigen Treibens». Jedes einzelne Sujet ist mit einem Titel oder einem kleinen Text versehen.  Fotoätzung/AquatintaMischtechnik, Format 60 x 90 cm; in Zusammenarbeit mit Kupferdruckatelier Kneubühler Zürich

 «Sorescia»  Eine Serie mit 9 identischen Horizonten; sie zeigen die Grenzlinie der kontinentalen Wasserscheide zwischen Nord und Süd auf dem San Gottardo,  Cibachrome, Duratrans auf Glas hinterzogen, 120 x 90 cm.

 «Hommage an die europäischen Entdecker» In den ehemaligen Fenstern des Altbaus, an die mittlerweile der Neubau angedockt ist, sind die Namen von sechs europäischen Entdecker eingraviert. Diese sind als Nischen ausgekleidet und sind zudem mit jenen Pflanzen bestückt, mit welchen in eben diesem Haus bis Ende der 1980er Jahre Handel getrieben worden ist: Kaffee, Kakao, Baumwolle, usw.. In den ersten Jahren konnten hier tatsächlich auch Kaffeebohnen geerntet, geröstet und verkostet werden. In den späteren Jahren wurden die einzelnen Pflanzen aus Unterhaltsgründen vereinheitlicht.


Künstlerische Gestaltung Volkartgebäude ZHAW St.Georgenplatz Winterthur

Gesamtkonzept

Die 1995 vom Hochbauamt des Kantons Zürich via des damaligen SCALO-Verlages an Jean Odermatt übertragene Aufgabe der künstlerischen Gestaltung des neuen ZHAW-Gebäudes fokussiert drei Raumzonen im alten und neuen Gebäudekomplex am St. Georgenplatz:

1. Der Altbau (ehemaliges Volkartgebäude)

Die Handelsfirma Gebrüder Volkart (1851-1999) gehörte zu den weltweit grössten Handelshäusern im Bereich Baumwolle und Kaffee. Diese Geschäfte wurden gegen Ende des 20. Jt. veräussert und das Gebäude selbst machte der künftigen ZHAW School of Management & Law Platz.
Das Volkart-Archiv enthält Dokumente dieser ursprünglichen Aktivitäten – vom Handel mit Saatgut über Produktion, Verarbeitung, Transport bis zum Brokerage.

Für die künstlerische Gestaltung der neuen Räumlichkeiten wurde eine Auswahl aus diesem Fundus restauriert, neu formatiert und als Bildvorlage für die räumliche Gestaltung im Altbau eingesetzt. Es sind z.T. seltene Dokumente von den Anfängen globalisierter Wirtschaft Mitte des 19. Jt. bis in die jüngste Vergangenheit. Als Patina zeugen sie von der Geschichte des Gebäudes, des Unternehmens und seinen Aktivitäten.

Die verwendete Bildtechnik reflektiert eine alte Ausdrucksform: Die Nachrichten von den "neuen Landen" durch die Entdecker und Handelsleute fanden in zahlreichen druckgrafischen Werken ihren Niederschlag: es sind illustrierte und kartografierte Reiseberichte. Sie erzählen von der «Wirklichkeit des Fremden» und darin sind sie Dokumente des «Werdens vom Wissen» innerhalb der europäischen Zivilisation. Mit diesen Erkenntnissen veränderte sich das Gesicht und das Selbstverständnis vom Menschen in der Welt.

Das «Zeitalter der Entdeckungen» umfasst auch die von Pionieren der terrestrischen Globalisierung getragene Kampagne, Bilder anstelle von bisherigen Nicht-Bildern und fotografischen Dokumenten an Stelle von Phantasie- oder Trugbilder zu setzen. Darum beginnen alle Landnahmen, Seenahmen, Weltnahmen mit Zeichnungen und später mit Bildaufnahmen.

Die den Fotogravuren einverleibten Texte reflektieren diese Inbesitznahme.

Mit jedem dieser Bilder, die nach Europa, nach Winterthur getragen werden, wird die Äusserlichkeit des unbekannten Fremden negiert und auf ein für durchschnittliche Europäer befriedigendes oder erträgliches Mass zurückgeführt. Wo die europäischen Entdecker und Kaufleute auftauchen, regnete es neue Namen auf die bis anhin scheinbar stumme Welt. Die Europäer genossen das Vorrecht, ihre eigene Welt semantisch zu klonen und sich die fernen und fremden Punkte durch die lexikalische Wiederkehr des Gleichen anzueignen.

2. Der Verbindungsteil zwischen Altbau und Neubau (Ostfenster)

In der Trennwand zwischen Alt und Neu (den auf jedem Stockwerk ehemaligen Fenstern) wurden die damals gehandelten Rohstoffe in ihrer Ursprungsform als lebende Pflanzen (Kaffee, Kakao u.a.) dargestellt. Um diesen Pflanzen die notwendige Umgebungstemperatur zu verschaffen, wurden sie mit Bodenplatten geheizt. Tatsächlich konnten bereits anfangs 2000 die damaligen Hausabwarte der ZHAW Kaffee ernten. Aus Gründen des Unterhaltes wurden die verschiedenen Pflanzensorten später vereinheitlicht. Geblieben sind die Namen europäischer Entdecker, welche an den Fenstersimsen eingraviert sind.

Schon bei den frühesten Unternehmungen hatten die Kapitäne und die mitreisenden Wissenschaftler, Zeichner, Schreiber und Astronomen keine Zweifel daran, dass es ihre Mission war, beweiskräftige Zeichen ihrer Funde im Draussen zu sammeln und zu rapportieren, und dies nicht nur in der Form von Waren, Proben und Beutestücken, sondern auch von Dokumenten, Karten und Verträgen.

3. Der Neubau (St.Georgenstrasse)

Im Neubau an der St.Georgenstrasse wurde im hohen Lichthof eine Serie von Horizontlinien aufgehängt. Sie stellen den Wechsel der Jahreszeiten an der kontinental-europäischen Wasserscheide auf dem Gotthard dar und symbolisieren den Aufbruch in neue Horizonte (nachdem die Welt mittlerweile erschlossen ist).

Die Jahrhunderte, die hinter uns liegen waren das Goldene Zeitalter einer expansiven Einbildungskraft; es schmerzt zu denken, dass sie vorüber sind, sie waren erfüllt von der Poesie der Hinfahrt.

Annex: Cafeteria

Die am Bau beteiligte Firmen wünschten zudem eine weitere Arbeit, welche sie der Hochschule schenkten. Diese sieben Fotogravuren wurden in der Cafeteria gehängt und stellen die wichtigsten Stationen der Kaffeegeschichte dar, vom Anbau der Pflanzen über das Nescafé-Labor bis zum heutigen Konsum. Sie sind in derselben Mischtechnik und Formatierung der übrigen Photogravuren ausgeführt (inkl. entsprechenden Texten).

Materialien

1 Fotos

Die Auswahl aus dem fotografischen Fundus der Volkart-Aktivitäten wurden in einer Mischtechnik (siehe unten) zwischen alten und modernen Bildgebungsformen auf grossformatige Photogravuren im ganzen Altbau platziert (inklusive der technischen Räume), um im Gebäude mit dem neuen Verwendungszweck die bisherige Geschichte zu verorten. (Bildformat 610 x 710 mm)

2 Drucktechnik

2.1. Bildübertragung
Die ursprünglich 64 (8x8) Photogravuren verknüpfen uralte Drucktechniken mit modernsten Bildgebungsverfahren.
Die im Volkart-Archiv gesichteten Fotos stammen aus der Zeit zwischen 1860 und 1950. Sie wurden bildtechnisch bearbeitet, um eine gleichmässige Bildqualität und Formatierung zu erhalten.
Anschliessend wurden die bearbeiteten Bildvorlagen in einem fotomechanischen Prozess einzeln auf eine Druckform (Kupferplatte) übertragen. Dies erfolgte Mitte der 1990er Jahre bei der Firma Orell & Füssli in Zürich, parallel zu dem damaligen Druck der Schweizer Banknoten (Ausgabe 1995) in einem identischen Verfahren. Wir nutzten die Pausen während der Drucklegung der «Geldmaschinerie» um unsere «Kuchenbleche», wie wir die 480 x 600 mm grossen Kupferplatten nannten, zu belichten.

2.2. Aquatinta
Aquatinta ist ein flächiges Tiefdruckverfahren. Es ermöglicht im Gegensatz zu den herkömmlichen Kupferstichtechniken wie Radierung, Kaltnadel und Vernis mou die Erzeugung gleichmässiger Halbtöne. Die Vertiefungen in der Kupferplatte werden – wie bei der Radierung – durch das Ätzen mit Säure erreicht: Zuerst wird die Platte mit Asphaltkorn oder mit Kollophonium-Puder bestäubt, welches im Staubkasten oder mit kleinen Stoffsäcken gleichmässig über die Platte gestreut wird. Anschliessend wird die Platte erhitzt und die aufgestäubten Teilchen schmelzen und kleben auf der Platte fest. Die Stellen, die nicht geätzt werden sollen, werden mit Asphaltlack abgedeckt.

Dann erfolgt die Ätzung mit Säure. Je länger die Säure zwischen den geschmolzenen Teilchen ins Metall dringt, umso tiefer wird dieses geätzt und desto dunkler werden die Stellen nachher im Druck. Das erzeugt optisch eine quasi dreidimensionale Bildwirkung.
Die Präzision und Dichte der Bildwiedergabe wäre ohne die Performance eines der weltbesten Kupferdruckers nicht möglich geworden. Der Zürcher Peter Kneubühler (1944–1999) verband Experimentierfreude mit grösster technischer Präzision und Detailgenauigkeit.